Eine biblische Betrachtung in fünf Teilen von Edgar Dusdal
Fremde begegnen uns innerhalb Israels in der Bibel an vielen Stellen. Uriah, der Ehemann Bathsebas, so hören wir, war ein Hethiter und kämpfte in Davids Heer. Ruth war eine verwitwete Moabiterin, Ittai war ein Philister aus Gat und wohnte mit seinen 600 Gefolgsleuten in Jerusalem.
Wir müssen hier konkretisieren, dass aus der Bezeichnung „der Fremde“, zuweilen nicht eindeutig hervorgeht, ob es sich um einen Ausländer handelt. Es kann sich auch um einen einheimischen Ortsfremden handeln.
Bei Asterix und Obelix heißt es dazu: "Du kennst mich doch, ich hab' nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden da sind nicht von hier!"
Die Bibel kennt zwei Traditionen im Umgang mit Fremden. Die eine beruht auf Abgrenzung, die andere auf Integration.
Interessant ist es wahrzunehmen, welche Motive hinter den jeweiligen Strategien im Umgang mit Fremden stehen.
Das 5. Buch Mose ist geprägt von sozialer Abgrenzung aus Angst vor religiösem Abfall, der durch die Fremden bewirkt werden könnte bis zur Tendenz von partieller Integration.
Das soziale Profil des Fremden kann nach dem 5. Buch Mose wie folgt bestimmt werden:
1. Der Ortsfremde hat keinen Landbesitz und verfügt daher auch über keine eigene Ernte.
2. Der Ortsfremde arbeitet bei Bauern als Tagelöhner.
3. Der Ortsfremde hat keine über Grundbesitz verfügende Verwandtschaft und fällt aus dem sozialen Netz der Verwandtschaftshilfe heraus. Es sind „Fremde, die Waisen sind,“ wie es 5.Mose 24,17 heißt.
Der Ortsfremde befindet sich in einer wirtschaftlich prekären Lage. Doch er wird nicht seinem Schicksal überlassen, sondern genießt gewisse Schutzrechte, die zumindest ein Überleben garantieren.
1. Dem Ortsfremden soll sein Lohn am Arbeitstag selbst ausgezahlt werden (5.Mose 24,14).
2. Er darf bei der Ernte Reste von Getreide und Oliven sammeln; auch verendete Tiere überlässt man ihm zum Verzehr (5.Mose 24,19-21; 14,21). Ein Rechtstext sieht sogar eine Armensteuer vor, die von landbesitzenden Bauern zu entrichten war, und die Fremden wie Witwen und Waisen, d.h. Personen ohne Verwandtschaft, zukommen sollte (5.Mose 26,12). „Wenn du den Zehnten deines ganzen Ertrages zusammengebracht hast im dritten Jahr, das ist das Zehnten-Jahr, so sollst du ihn dem Leviten, dem Fremdling, der Waise und der Witwe geben, daß sie in deiner Stadt essen und satt werden.“
3. Der Ortsfremde darf an religiösen Festen teilnehmen. D.h: Er wird zum Verzehr von Opfertieren eingeladen. Auch wird ihm Sabbatruhe gewährt (5.Mose 5,14; 16,11.14).
Das 5. Buch Mose formuliert eine Verbindung von Integration und Segregation, von Einbeziehung und Trennung. Die Tendenz zur Integration zeigt sich an der Zulassung zu den Festen und an der Sabbatruhe, die Tendenz zur Trennung zeigt sich an dem Bestehen darauf, dass die Fremden keine Brüder sind und nicht zum heiligen Volk gehören. Sie sind und bleiben Fremde. „Der Fremde ist kein Bruder.“ (5.Mose 24,14). „Er gehört nicht zum heiligen Volk.“ (5.Mose 14,21a.)
Im sogenannten Bundesbuch (Ex 20,22 – 23,33) finden sich zwei Bestimmungen, die positiv auf den Fremden Bezug nehmen.
„Und einen Fremdling sollst du nicht bedrängen und ihn nicht bedrücken, denn Fremdlinge seid ihr im Land Ägypten gewesen.“ (2. Mose 22,20)
„Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr kennt doch die Seele des Fremden, weil ihr auch Fremde in Ägyptenland gewesen seid.“ (2.Mose 23,9)
Diese im Bundesbuch enthaltene Tradition wird im Heiligkeitsgesetz (3. Mose Levitikus 17-26) fortgeschrieben. Es favorisiert ein Modell der vollständigen Integration des Fremden. Die zentrale Aussage hierzu lautet:
„Es soll ein und dasselbe Recht unter euch sein für den Fremdling wie für den Einheimischen; ich bin der HERR, euer Gott.“ (3.Mose 24,22), sowie:
„Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.“ (3.Mose 19,33-34)
Allerdings enthält das Modell der Gleichstellung mehrere Forderungen an den Fremden:
1. Der Fremde darf keinen religiösen Kult nach eigener Tradition pflegen; er muss sich an die jüdischen Kultregeln halten: “Darum sollst du zu ihnen sagen: Wer aus dem Hause Israel oder von den Fremdlingen, die unter euch sind, ein Brandopfer oder Schlachtopfer darbringt und bringt es nicht vor die Tür der Stiftshütte, um es dem HERRN zu opfern, der wird ausgerottet werden aus seinem Volk.“ (3.Mose 17,8-9)
2. Der Fremde muss sich an die jüdischen Speisegesetze halten: „Und wer vom Haus Israel oder von den Fremdlingen unter euch irgendwelches Blut ißt, gegen den will ich mein Antlitz kehren und will ihn aus seinem Volk ausrotten.Darum habe ich den Israeliten gesagt: Keiner unter euch soll Blut essen, auch kein Fremdling, der unter euch wohnt.“ (3.Mose 17,10-12)
3. Der Fremde soll Passa feiern wie die Israeliten.
Das Modell der Gleichstellung öffnet das Judentum für die Fremden. Aber es wird die Übernahme aller jüdischen Traditionen einschließlich Beschneidung, Kult- und Speisegesetz erwartet. In der Formulierung des Gesetzes heißt es dann:
„Ein und dasselbe Gesetz gelte für den Einheimischen und den Fremdling, der unter euch wohnt.“ (2.Mose 12,49)
Ein Beispiel für das priesterliche Modell der Integration bietet das Buch Judith: Dort lesen wir von einem Ammoniter, also Ausländer, der sich zum Judentum bekehrte:
"Als nun Achior sah, wie mächtig der Gott Israels geholfen hatte, verließ er die heidnischen Bräuche, glaubte an Gott und ließ sich beschneiden. Er wurde in das Volk Israel aufgenommen, er und alle seine Nachkommen, bis auf den heutigen Tag.“ (Jdt 14,6)
Im Gegensatz zur Priesterschrift sind die Ammoniter im 5. Buch Mose nicht einmal in das Zwei-Klassensystem ihres Gesellschaftsmodells aufgenommen: „Die Ammoniter und Moabiter sollen nicht in die Gemeinde des HERRN kommen, auch nicht ihre Nachkommen bis ins zehnte Glied; sie sollen nie hineinkommen.“ (5.Mose 23,4)
Dennoch ist der Fremdling in der Regel nicht beschnitten.
An Schutzbestimmungen finden sich u.a. folgende Gesetze:
„Wenn du dein Land aberntest, sollst du nicht alles bis an die Ecken deines Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese halten. Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der HERR, euer Gott.“ (3.Mose 19,9-10)
„Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken/ausnutzen. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.“ (3.Mose 19,33-34)
Bei der Gesetzgebung über das Sabbatjahr und das Jubeljahr leitet das Heiligkeitsgesetz von dem Prinzip, dass Jahwe der Besitzer des Landes ist, „Das Land gehört mir.“ (Lev 25,23) einen einzigartigen Zusatz ab: „Ihr seid wie Fremde und Beisassen bei mir.“ Israel ist nicht Herr des Landes, es wohnt dort vor Gott als Fremder. Insofern ist die Bibel, entfaltet man sie von diesem Punkt aus, ein Buch von Fremden für Fremde. Weil Jahwe der Besitzer des Landes ist, kommt auch dem Fremden ein Anteil von seinen Früchten zu, denn vor Gott sind alle Fremde.
Samstag, 1. November 2014
Vom Umgang mit Fremden (3)
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