Eine biblische Betrachtung in fünf Teilen von Edgar Dusdal
Es sei noch kurz auf das Neue Testament eingegangen.
Jesus legt die Grundlage für ein neues Sozialmodell. Nicht mehr die Familie, die Sippe bildet die institutionelle Basis des Gemeinwesens, sondern es ist die Gemeinde. Damit ist es möglich, auch die, die keine familiäre Einbindung haben, zu integrieren, besonders also die Fremden. In der Gemeinde wird deshalb auch der Gegensatz zwischen Fremden und Einheimischen irrelevant. Entscheidend ist es, zum Herrn zu gehören.
Um dies zu untersetzen hören wir immer wieder in der Bibel Geschichten, in denen Ausländer eine positive Glaubensrolle spielen.
Zum Hauptmann von Kapernaum, also einen Vertreter der römischen Besatzungsmacht, spricht er voller Bewunderung:
„Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!“
Die den Judäern verhassten Samaritaner werden durch Jesus ebenfalls zu Glaubensvorbildern. Bei der Nachfrage des Schriftgelehrten: „Wer ist mein Nächster“, ist es ein Samaritaner, der Barmherzigkeit an dem unter die Räuber gefallenen übt. Bei den zehn geheilten Aussätzigen ist der einzige, der umkehrt und sich bei Jesus bedankt ein Samaritaner.
Es ist auch eine Syrophönizerin, der er in Mathäus 15 konzediert: „Dein Glaube ist groß.“ Und sie ist es, von der sich selbst Jesus zu einer Handlungsänderung überzeugen lässt.
Der klassische Text in diesem Zusammenhang ist das Gleichnis vom Weltgericht (Mt 25), wo die Fürsorge für die Fremden zu einer der sieben Werke der Barmherzigkeit im Christentum wird.
„Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?
Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Der Dienst am Fremden, am Flüchtling, wird zu einem Dienst an Christus. Gottesbegegnung, so können wir daraus schlussfolgern, ereignet sich genau dort.
Zum Schluss möchte ich noch auf einen etymologischen Zusammenhang verweisen.
In vielen Sprachen wird das Wort für Fremder und Gast synonym verwendet. Xenos ist im griechischen der Fremde wie der Gast. Im lateinischen ist es der hospes. Interessant ist es, dass im deutschen das Wort „Gast“ ein Lehnwort aus dem lateinischen ist, allerdings abgeleitet von hostis, was im lateinischen der Feind ist. ( über host – gost - Gast)
Dahinter steht natürlich das Gastrecht, das auch dem Feind, wenn er als Gast aufgenommen wurde Schutzrechte garantiert. Die Sprache hat diesen Zusammenhang konserviert, dass aus dem Feind, dem Fremden der Gast wird, dem bestimmte Schutzrechte zustehen. Da Moral nicht akkumulierbar ist, also von jeder Generation wieder von vorn angeeignet werden muss, müssen wir immer wieder von Neuem diesen Prozess durchlaufen, der aus Fremden Gäste werden lässt.
Donnerstag, 6. November 2014
Vom Umgang mit Fremden (5)
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