Am 3. November wollen wir uns ab 19 Uhr im Gemeindehaus Erlöser (Nöldnerstraße 43) über das Thema Kirchenasyl austauschen, Fragen stellen und gemeinsam nachdenken, ob wir als Gemeinde diese Form des Asyls anbieten wollen.
Wir freuen uns auf anregende Gespräche und einen produktiven Austausch.
Donnerstag, 30. Oktober 2014
Vom Umgang mit Fremden (2)
Eine biblische Betrachtung in fünf Teilen von Edgar Dusdal
Die Auseinandersetzung zwischen Einheimischen und Fremden liegt auch der Geschichte von Sodom und Gomorra zugrunde. Die Vernichtung der Städte erfolgt nicht zuletzt aufgrund ihres negativen Umgangs mit Fremden.
„Die zwei Engel kamen nach Sodom am Abend; Lot aber saß zu Sodom unter dem Tor. Und als er sie sah, stand er auf, ging ihnen entgegen und neigte sich bis zur Erde und sprach: Siehe, liebe Herren, kehrt doch ein im Hause eures Knechts und bleibt über Nacht; lasst eure Füße waschen und brecht frühmorgens auf und zieht eure Straße. Aber sie sprachen: Nein, wir wollen über Nacht im Freien bleiben. Da nötigte er sie sehr und sie kehrten zu ihm ein und kamen in sein Haus... Aber ehe sie sich legten, kamen die Männer der Stadt Sodom und umgaben das Haus, Jung und Alt, das ganze Volk aus allen Enden, und riefen Lot und sprachen zu ihm: Wo sind die Männer, die zu dir gekommen sind diese Nacht? Führe sie heraus zu uns, dass wir uns über sie hermachen. Lot ging heraus zu ihnen vor die Tür und schloss die Tür hinter sich zu und sprach: Ach, liebe Brüder, tut nicht so übel! Siehe, ich habe zwei Töchter, die wissen noch von keinem Manne; die will ich herausgeben unter euch und tut mit ihnen, was euch gefällt; aber diesen Männern tut nichts, denn darum sind sie unter den Schatten meines Dachs gekommen. Sie aber sprachen: Weg mit dir! Und sprachen auch: Du bist der einzige Fremdling hier und willst regieren? Wohlan, wir wollen dich noch übler plagen als jene. Und sie drangen hart ein auf den Mann Lot.“
Lot`s Umgang mit seinen Gästen, die ja Fremde sind, wird von den Sodomitanern kritisiert mit dem Verweis, dass er als Fremdling kein Sonderrecht für sich beanspruchen kann. Nach ihrer Rechtsauffassung wäre es legitim gewesen, sich an den Fremden zu vergehen. Einzig der schutzlose Fremde garantiert in dieser Geschichte den Fremden Schutz.
Da sie selbst Gastrecht und Fremdenschutz brachen, verwirkten sie vor Gott ihr Existenzrecht.
Im gelobten Land erfährt Abraham die Verheißung:
„Da sprach der HERR zu Abraham: Das sollst du wissen, dass deine Nachkommen werden Fremdlinge sein in einem Lande, das nicht das ihre ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre.“ (1.Mose 15,13)
Das ist nicht unbedingt das, was man sich unter einer Verheißung vorstellt. Anstelle einer Heilsgeschichte wird hier eine Unheilsgeschichte in Aussicht gestellt. Und man fragt sich: Lohnt sich der am Beginn der Erzählung von Abraham geforderte Aufbruch, angesichts dieser Zukunftsaussicht? Vierhundert Jahre Unterdrückung aufgrund des Status eines Fremdlings?
Doch bevor sich diese Unheilsgeschichte einlöst, erfährt Abraham in vielfacher Hinsicht Aufnahme und Gastfreundschaft.
Sind es bisher Ägypter und Philister gewesen, so nun Hethiter:
Nach dem Tod seiner Frau Sarah heißt es: „Ich bin ein Fremdling und Beisasse bei euch; gebt mir ein Erbbegräbnis bei euch, dass ich meine Tote hinaustrage und begrabe. Da antworteten die Hetiter Abraham und sprachen zu ihm: Höre uns, lieber Herr! Du bist ein Fürst Gottes unter uns. Begrabe deine Tote in einem unserer vornehmsten Gräber; kein Mensch unter uns wird dir wehren, dass du in seinem Grabe deine Tote begräbst. Da stand Abraham auf und verneigte sich vor dem Volk des Landes, vor den Hetitern.“ (1.Mose 23,4ff)
Das Fazit der Vätergeschichten lautet: Sowohl Abraham als auch Isaak und Jakob müssen aufgrund von Hungerkatastrophen ihre Heimat verlassen und Zuflucht bei Philistern oder Ägyptern nehmen. Das Leben im von Gott verheißenen Land erweist sich als prekär. Es bietet immer nur Heimat auf Zeit.
Kommen wir, zu dem nach jüdischem Verständnis Religionsstifter des Judentums, zu Mose.
Auch seine Existenz, von Anbeginn bedroht, ist fast zeitlebens die eines Flüchtlings. Um überleben zu können, müssen seine Eltern seine Identität verleugnen. Nach dem Totschlag eines Aufsehers muss er aus Ägypten fliehen. In Midian findet er Zuflucht bei dem Priester Reguel: (2.Mose 2, 22)„Und er gab Mose seine Tochter Zippora zur Frau. Die gebar einen Sohn und er nannte ihn Gerschom; denn, sprach er, ich bin ein Fremdling geworden im fremden Lande“ (hebräisch ger Fremdling + schäam dort).
Das eigene Kind wird zum Symbol der Fremdheit und zugleich des sich selbst in der Fremde fremdgewordenseins.
Das, worunter Flüchtlinge am meisten leiden, der Gefahr zu erliegen, die eigene Identität zu verlieren, findet in dieser Geschichte auf der symbolischen Ebene eine verdichtete Ausdrucksform.
Zur lokalen Fremdheit kommt die Selbstentfremdung: „Ich bin ein Fremdling geworden im fremden Lande.“
Der Auszug aus Ägypten wurde zum Gründungsmythos des Volkes Israel, worauf, dies sei noch einmal vermerkt, das eingangs zitierte Bekenntnis verweist „Ein umherirrender Aramäer war mein Vater, und er zog nach Ägypten hinab und hielt sich dort als Fremder auf.“
In der Eingangsformel zu den 10 Geboten, gehört deshalb zur Selbstvorstellung Gottes, der Verweis auf dieses Ereignis:
„Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.“
Gott ist ein Gott der Befreiung, der Menschen aus der Versklavung, aus Verhältnissen der Unfreiheit und Unterdrückung in die Freiheit führt. In der Bibel ist Gott ein Gott, der Heimat schenkt.
Aus dieser Fürsorge ergibt sich für jeden die Handlungsanweisung: Weil er uns Heimat schenkt, deshalb sollen auch wir Heimat schenken.
Die Auseinandersetzung zwischen Einheimischen und Fremden liegt auch der Geschichte von Sodom und Gomorra zugrunde. Die Vernichtung der Städte erfolgt nicht zuletzt aufgrund ihres negativen Umgangs mit Fremden.
„Die zwei Engel kamen nach Sodom am Abend; Lot aber saß zu Sodom unter dem Tor. Und als er sie sah, stand er auf, ging ihnen entgegen und neigte sich bis zur Erde und sprach: Siehe, liebe Herren, kehrt doch ein im Hause eures Knechts und bleibt über Nacht; lasst eure Füße waschen und brecht frühmorgens auf und zieht eure Straße. Aber sie sprachen: Nein, wir wollen über Nacht im Freien bleiben. Da nötigte er sie sehr und sie kehrten zu ihm ein und kamen in sein Haus... Aber ehe sie sich legten, kamen die Männer der Stadt Sodom und umgaben das Haus, Jung und Alt, das ganze Volk aus allen Enden, und riefen Lot und sprachen zu ihm: Wo sind die Männer, die zu dir gekommen sind diese Nacht? Führe sie heraus zu uns, dass wir uns über sie hermachen. Lot ging heraus zu ihnen vor die Tür und schloss die Tür hinter sich zu und sprach: Ach, liebe Brüder, tut nicht so übel! Siehe, ich habe zwei Töchter, die wissen noch von keinem Manne; die will ich herausgeben unter euch und tut mit ihnen, was euch gefällt; aber diesen Männern tut nichts, denn darum sind sie unter den Schatten meines Dachs gekommen. Sie aber sprachen: Weg mit dir! Und sprachen auch: Du bist der einzige Fremdling hier und willst regieren? Wohlan, wir wollen dich noch übler plagen als jene. Und sie drangen hart ein auf den Mann Lot.“
Lot`s Umgang mit seinen Gästen, die ja Fremde sind, wird von den Sodomitanern kritisiert mit dem Verweis, dass er als Fremdling kein Sonderrecht für sich beanspruchen kann. Nach ihrer Rechtsauffassung wäre es legitim gewesen, sich an den Fremden zu vergehen. Einzig der schutzlose Fremde garantiert in dieser Geschichte den Fremden Schutz.
Da sie selbst Gastrecht und Fremdenschutz brachen, verwirkten sie vor Gott ihr Existenzrecht.
Im gelobten Land erfährt Abraham die Verheißung:
„Da sprach der HERR zu Abraham: Das sollst du wissen, dass deine Nachkommen werden Fremdlinge sein in einem Lande, das nicht das ihre ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre.“ (1.Mose 15,13)
Das ist nicht unbedingt das, was man sich unter einer Verheißung vorstellt. Anstelle einer Heilsgeschichte wird hier eine Unheilsgeschichte in Aussicht gestellt. Und man fragt sich: Lohnt sich der am Beginn der Erzählung von Abraham geforderte Aufbruch, angesichts dieser Zukunftsaussicht? Vierhundert Jahre Unterdrückung aufgrund des Status eines Fremdlings?
Doch bevor sich diese Unheilsgeschichte einlöst, erfährt Abraham in vielfacher Hinsicht Aufnahme und Gastfreundschaft.
Sind es bisher Ägypter und Philister gewesen, so nun Hethiter:
Nach dem Tod seiner Frau Sarah heißt es: „Ich bin ein Fremdling und Beisasse bei euch; gebt mir ein Erbbegräbnis bei euch, dass ich meine Tote hinaustrage und begrabe. Da antworteten die Hetiter Abraham und sprachen zu ihm: Höre uns, lieber Herr! Du bist ein Fürst Gottes unter uns. Begrabe deine Tote in einem unserer vornehmsten Gräber; kein Mensch unter uns wird dir wehren, dass du in seinem Grabe deine Tote begräbst. Da stand Abraham auf und verneigte sich vor dem Volk des Landes, vor den Hetitern.“ (1.Mose 23,4ff)
Das Fazit der Vätergeschichten lautet: Sowohl Abraham als auch Isaak und Jakob müssen aufgrund von Hungerkatastrophen ihre Heimat verlassen und Zuflucht bei Philistern oder Ägyptern nehmen. Das Leben im von Gott verheißenen Land erweist sich als prekär. Es bietet immer nur Heimat auf Zeit.
Kommen wir, zu dem nach jüdischem Verständnis Religionsstifter des Judentums, zu Mose.
Auch seine Existenz, von Anbeginn bedroht, ist fast zeitlebens die eines Flüchtlings. Um überleben zu können, müssen seine Eltern seine Identität verleugnen. Nach dem Totschlag eines Aufsehers muss er aus Ägypten fliehen. In Midian findet er Zuflucht bei dem Priester Reguel: (2.Mose 2, 22)„Und er gab Mose seine Tochter Zippora zur Frau. Die gebar einen Sohn und er nannte ihn Gerschom; denn, sprach er, ich bin ein Fremdling geworden im fremden Lande“ (hebräisch ger Fremdling + schäam dort).
Das eigene Kind wird zum Symbol der Fremdheit und zugleich des sich selbst in der Fremde fremdgewordenseins.
Das, worunter Flüchtlinge am meisten leiden, der Gefahr zu erliegen, die eigene Identität zu verlieren, findet in dieser Geschichte auf der symbolischen Ebene eine verdichtete Ausdrucksform.
Zur lokalen Fremdheit kommt die Selbstentfremdung: „Ich bin ein Fremdling geworden im fremden Lande.“
Der Auszug aus Ägypten wurde zum Gründungsmythos des Volkes Israel, worauf, dies sei noch einmal vermerkt, das eingangs zitierte Bekenntnis verweist „Ein umherirrender Aramäer war mein Vater, und er zog nach Ägypten hinab und hielt sich dort als Fremder auf.“
In der Eingangsformel zu den 10 Geboten, gehört deshalb zur Selbstvorstellung Gottes, der Verweis auf dieses Ereignis:
„Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.“
Gott ist ein Gott der Befreiung, der Menschen aus der Versklavung, aus Verhältnissen der Unfreiheit und Unterdrückung in die Freiheit führt. In der Bibel ist Gott ein Gott, der Heimat schenkt.
Aus dieser Fürsorge ergibt sich für jeden die Handlungsanweisung: Weil er uns Heimat schenkt, deshalb sollen auch wir Heimat schenken.
Dienstag, 28. Oktober 2014
Vom Umgang mit Fremden (1)
Eine biblische Betrachtung in fünf Teilen von Edgar Dusdal
„Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.“
Die Bibel beginnt mit einer Vertreibungsgeschichte. Seitdem ist der Mensch ein Suchender, der sich nach Heimat, nach Beheimatung sehnt. Dem Begriff Heimat haftet seither ein paradiesischer Klang an. Im materiellen wie im geistig-geistlichen Sinne.
Im Hebräerbrief wird es dann heißen (Hebr 13,14): „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Es bleibt unsere anthropologische Bestimmtheit, dass wir, als Hineingeworfene in diese Welt, als aus der Urbeheimatung im Mutterleib Vertriebene, uns in Momenten der Verunsicherung und Gefährdung unbewusst dorthin zurücksehnen, dahin, wo Heimat und Geborgenheit noch ganz in eins fielen.
Erst am Ende der Zeit wird es wieder wie am Anfang sein. Im letzten Kapitel der Offenbarung des Johannes heißt es:
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“
Doch bis dahin werden wir weiterhin als Söhne und Töchter Kains unser Leben „unstet und flüchtig“ verbringen.
Es ist die existenzialistische Grundgestimmtheit, die die Bibel hier formuliert, mit der jeder Mensch zurechtkommen muss. Wer sie akzeptiert, wird zugleich die Sehnsucht eines jeden Menschen nach Heimat nachvollziehen können.
Und dennoch blicken wir in unterschiedlicher Weise auf Menschen, die zu Flüchtlingen, zu Vertriebenen geworden sind, und sich nichts anderes ersehnen als Heimat.
Die Bibel reflektiert dieses Thema in vielfacher Weise. Wenn religio mit Rückbindung übersetzt werden kann, also dem Bemühen dem bindungslosen Menschen eine neue Verortung in dieser Welt zu ermöglichen, dann ist Heimatsuche das zentrale Identitätsmerkmal von Religion und ihr radikalstes (von radix -Wurzel) Anliegen. Die Bibel ist zugleich, pointiert formuliert ein Buch von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Sie ist ein Buch, das von Vertreibung, Exil und Heimatsuche berichtet. Mit all den Konflikten, die dazugehören aber auch mit unterschiedlichen Lösungsangeboten.
Angemerkt sei hier nur, dass nach der Vertreibung aus dem Paradies auch in den weiteren Urgeschichten, die in der Bibel in den ersten elf Kapiteln beschrieben werden die Themen Flucht, Heimatlosigkeit, Orientierungsverlust virulent bleiben. Kain, so hörten wir bereits, ist zur Unstetigkeit verdammt, bis er zum ersten Städtegründer wird. Ihm folgt Noah. Er bleibt als einziger mit seiner Familie von den Folgen der unüberbietbaren globalen Katastrophe verschont, um den Preis, das er seine Heimat verliert. Auch die Geschichte vom Turmbau zu Babel endet mit dem Fazit: „Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.“ Von hier geht die Erzählung der Bibel direkt zur Geschichte Abrahams über, an dessen Anfang das Gebot zur Aufgabe der eigenen Heimat steht. Auch er, der Stammvater, wird zum Fremdling.
Das Wort „Fremdling“ kommt in der Bibel 112 mal vor, das Wort „Fremder“ immerhin 23 mal.
Das älteste Bekenntnis, das sich in unserer Bibel befindet, steht im 5. Buch Mose. Es beginnt mit dem Satz:
„Ein umherirrender Aramäer war mein Vater, und er zog nach Ägypten hinab und hielt sich dort als Fremder auf.“
Es ist zugleich ein zentrales Bekenntnis, dessen Bedeutungsweite sich erst erschließt, nachdem man sich die Breite der Texte genauer vergegenwärtigt.
Bereits unmittelbar nach Abrahams Ruf in die neue Heimat, „in ein Land, das ich dir zeigen will“, heißt es schon zehn Verse weiter: „Es kam aber eine Hungersnot in das Land. Da zog Abram hinab nach Ägypten, dass er sich dort als ein Fremdling aufhielte; denn der Hunger war groß im Lande.“
Die Ängste des Fremden und dass er abhängig ist vom Wohlwollen der Gastgeber, spiegelt sich bereits in den nächsten Versen : „Und als er nahe an Ägypten war, sprach er zu Sarah, seiner Frau: Siehe, ich weiß, dass du eine schöne Frau bist. Wenn dich nun die Ägypter sehen, so werden sie sagen: Das ist seine Frau, und werden mich umbringen und dich leben lassen. So sage doch, du seist meine Schwester, auf dass mir's wohlgehe um deinetwillen und ich am Leben bleibe um deinetwillen.“
Das Thema erfährt in der Abrahamsgeschichte eine Doppelung. Sie beginnt wieder mit dem aus Existenznot erzwungenen Aufbruch in die Fremde, dieses mal in das Land der Philister: „Abraham aber zog von dannen ins Südland und wohnte zwischen Kadesch und Schur und lebte nun als ein Fremdling zu Gerar.“
Die wechselseitigen Ängste, das Sich–bedroht–fühlen Abrahams, aber auch die Ängste der Einheimischen vor Verdrängung, werden hier erstmals thematisiert:
„Er sagte aber von Sarah, seiner Frau: Sie ist meine Schwester. Da sandte Abimelech, der König von Gerar, hin und ließ sie holen. Aber Gott kam zu Abimelech des Nachts im Traum und sprach zu ihm: Siehe, du bist des Todes um der Frau willen, die du genommen hast; denn sie ist eines Mannes Ehefrau. Abimelech aber hatte sie nicht berührt. Und Abimelech rief Abraham herzu und sprach zu ihm: Warum hast du uns das angetan? Und was habe ich an dir gesündigt, dass du eine so große Sünde wolltest auf mich und mein Reich bringen? Du hast an mir gehandelt, wie man nicht handeln soll. Abraham sprach: Ich dachte, gewiss ist keine Gottesfurcht an diesem Orte, und sie werden mich um meiner Frau willen umbringen.... Da nahm Abimelech Schafe und Rinder, Knechte und Mägde und gab sie Abraham und gab ihm Sarah, seine Frau, wieder und sprach: Siehe da, mein Land steht dir offen; wohne, wo dir's wohlgefällt.“
Obwohl Abimelech Abraham Heimatrecht gewährt, sorgt er sich darum, er könne ein Opfer seiner Hilfsbereitschaft werden. Deshalb erbittet er von Abraham: „So schwöre mir nun bei Gott, dass du mir und meinen Söhnen und meinen Enkeln keine Untreue erweisen wollest, sondern die Barmherzigkeit, die ich an dir getan habe, an mir auch tust und an dem Lande, darin du ein Fremdling bist.“
„Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.“
Die Bibel beginnt mit einer Vertreibungsgeschichte. Seitdem ist der Mensch ein Suchender, der sich nach Heimat, nach Beheimatung sehnt. Dem Begriff Heimat haftet seither ein paradiesischer Klang an. Im materiellen wie im geistig-geistlichen Sinne.
Im Hebräerbrief wird es dann heißen (Hebr 13,14): „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Es bleibt unsere anthropologische Bestimmtheit, dass wir, als Hineingeworfene in diese Welt, als aus der Urbeheimatung im Mutterleib Vertriebene, uns in Momenten der Verunsicherung und Gefährdung unbewusst dorthin zurücksehnen, dahin, wo Heimat und Geborgenheit noch ganz in eins fielen.
Erst am Ende der Zeit wird es wieder wie am Anfang sein. Im letzten Kapitel der Offenbarung des Johannes heißt es:
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“
Doch bis dahin werden wir weiterhin als Söhne und Töchter Kains unser Leben „unstet und flüchtig“ verbringen.
Es ist die existenzialistische Grundgestimmtheit, die die Bibel hier formuliert, mit der jeder Mensch zurechtkommen muss. Wer sie akzeptiert, wird zugleich die Sehnsucht eines jeden Menschen nach Heimat nachvollziehen können.
Und dennoch blicken wir in unterschiedlicher Weise auf Menschen, die zu Flüchtlingen, zu Vertriebenen geworden sind, und sich nichts anderes ersehnen als Heimat.
Die Bibel reflektiert dieses Thema in vielfacher Weise. Wenn religio mit Rückbindung übersetzt werden kann, also dem Bemühen dem bindungslosen Menschen eine neue Verortung in dieser Welt zu ermöglichen, dann ist Heimatsuche das zentrale Identitätsmerkmal von Religion und ihr radikalstes (von radix -Wurzel) Anliegen. Die Bibel ist zugleich, pointiert formuliert ein Buch von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Sie ist ein Buch, das von Vertreibung, Exil und Heimatsuche berichtet. Mit all den Konflikten, die dazugehören aber auch mit unterschiedlichen Lösungsangeboten.
Angemerkt sei hier nur, dass nach der Vertreibung aus dem Paradies auch in den weiteren Urgeschichten, die in der Bibel in den ersten elf Kapiteln beschrieben werden die Themen Flucht, Heimatlosigkeit, Orientierungsverlust virulent bleiben. Kain, so hörten wir bereits, ist zur Unstetigkeit verdammt, bis er zum ersten Städtegründer wird. Ihm folgt Noah. Er bleibt als einziger mit seiner Familie von den Folgen der unüberbietbaren globalen Katastrophe verschont, um den Preis, das er seine Heimat verliert. Auch die Geschichte vom Turmbau zu Babel endet mit dem Fazit: „Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.“ Von hier geht die Erzählung der Bibel direkt zur Geschichte Abrahams über, an dessen Anfang das Gebot zur Aufgabe der eigenen Heimat steht. Auch er, der Stammvater, wird zum Fremdling.
Das Wort „Fremdling“ kommt in der Bibel 112 mal vor, das Wort „Fremder“ immerhin 23 mal.
Das älteste Bekenntnis, das sich in unserer Bibel befindet, steht im 5. Buch Mose. Es beginnt mit dem Satz:
„Ein umherirrender Aramäer war mein Vater, und er zog nach Ägypten hinab und hielt sich dort als Fremder auf.“
Es ist zugleich ein zentrales Bekenntnis, dessen Bedeutungsweite sich erst erschließt, nachdem man sich die Breite der Texte genauer vergegenwärtigt.
Bereits unmittelbar nach Abrahams Ruf in die neue Heimat, „in ein Land, das ich dir zeigen will“, heißt es schon zehn Verse weiter: „Es kam aber eine Hungersnot in das Land. Da zog Abram hinab nach Ägypten, dass er sich dort als ein Fremdling aufhielte; denn der Hunger war groß im Lande.“
Die Ängste des Fremden und dass er abhängig ist vom Wohlwollen der Gastgeber, spiegelt sich bereits in den nächsten Versen : „Und als er nahe an Ägypten war, sprach er zu Sarah, seiner Frau: Siehe, ich weiß, dass du eine schöne Frau bist. Wenn dich nun die Ägypter sehen, so werden sie sagen: Das ist seine Frau, und werden mich umbringen und dich leben lassen. So sage doch, du seist meine Schwester, auf dass mir's wohlgehe um deinetwillen und ich am Leben bleibe um deinetwillen.“
Das Thema erfährt in der Abrahamsgeschichte eine Doppelung. Sie beginnt wieder mit dem aus Existenznot erzwungenen Aufbruch in die Fremde, dieses mal in das Land der Philister: „Abraham aber zog von dannen ins Südland und wohnte zwischen Kadesch und Schur und lebte nun als ein Fremdling zu Gerar.“
Die wechselseitigen Ängste, das Sich–bedroht–fühlen Abrahams, aber auch die Ängste der Einheimischen vor Verdrängung, werden hier erstmals thematisiert:
„Er sagte aber von Sarah, seiner Frau: Sie ist meine Schwester. Da sandte Abimelech, der König von Gerar, hin und ließ sie holen. Aber Gott kam zu Abimelech des Nachts im Traum und sprach zu ihm: Siehe, du bist des Todes um der Frau willen, die du genommen hast; denn sie ist eines Mannes Ehefrau. Abimelech aber hatte sie nicht berührt. Und Abimelech rief Abraham herzu und sprach zu ihm: Warum hast du uns das angetan? Und was habe ich an dir gesündigt, dass du eine so große Sünde wolltest auf mich und mein Reich bringen? Du hast an mir gehandelt, wie man nicht handeln soll. Abraham sprach: Ich dachte, gewiss ist keine Gottesfurcht an diesem Orte, und sie werden mich um meiner Frau willen umbringen.... Da nahm Abimelech Schafe und Rinder, Knechte und Mägde und gab sie Abraham und gab ihm Sarah, seine Frau, wieder und sprach: Siehe da, mein Land steht dir offen; wohne, wo dir's wohlgefällt.“
Obwohl Abimelech Abraham Heimatrecht gewährt, sorgt er sich darum, er könne ein Opfer seiner Hilfsbereitschaft werden. Deshalb erbittet er von Abraham: „So schwöre mir nun bei Gott, dass du mir und meinen Söhnen und meinen Enkeln keine Untreue erweisen wollest, sondern die Barmherzigkeit, die ich an dir getan habe, an mir auch tust und an dem Lande, darin du ein Fremdling bist.“
Mittwoch, 1. Oktober 2014
Monatsspruch für Oktober

Ehre Gott mit deinen Opfern gern und reichlich, und gib deine Erstlingsgaben, ohne zu geizen.
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